Wie politisch ist die Zurich Pride?
„Zürich wird gay“. So titelt zumindest der Züritipp Stadtblog zum Thema Zurich Pride, die dieses Wochenende stattfindet. Und zitiert den „Party-Nomaden Daniel“ wie folgt: „Es ist der beste Zürcher Party-Event des Jahres – heisser, lustiger und intimer als die Street Parade”. Die Zurich Pride, eine einzige Party?
Der letztjährige Vorwurf
Ich erinnere mich noch gut an letztes Jahr: Zahlreich haben wir uns nach dem Umzug auf dem Turbinenplatz eingefunden, um unter unseresgleichen den Rest des Nachmittags zu geniessen. Die Moderatoren, die durch das Programm führten, waren mässig unterhaltsam und noch weniger lustig. Und eine politische Rede folgte auf die Nächste. Irgendwann verlor die anwesende LBGT-Community die Geduld – wir waren nun schon während einiger Stunden unterwegs, und wollten auch einfach mal abschalten und geniessen dürfen. So machte sich langsam aber sicher Unruhe breit. Bis irgendwann kaum mehr zu hören war, was uns die Rednerinnen und Redner eigentlich mitteilen wollten. Was folgte, war der Vorwurf, dass wir, die Mitglieder der LBGT-Community, zwar immer Feuer und Flamme sind, wenn es ums Party machen geht, jedoch diesen Enthusiasmus bei politischen Themen, die uns tangieren, schmerzlich vermissen lassen. Und wohl aus genau diesem Grund hatten die Veranstalter der Zurich Pride für dieses Jahr eine strikte Trennung von Festbetrieb (Turbinenplatz) und Politik (Helvetia- und Werdmühleplatz) vorgesehen.
Wie viel Party ist Pride?
Wenn die Pride, wie vom „Party-Nomaden“ formuliert, in einem Atemzug mit der Mega-Veranstaltung Street Parade (die ja in ihrem Ursprung eine Demonstration für Liebe, Frieden, Freiheit, Grosszügigkeit und Toleranz ist) genannt wird, dann liegt die Vermutung nahe, dass der oben erwähnte Vorwurf wohl nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist. Anscheinend steht die Pride für viele (die nicht der Szene angehören) vornehmlich für eine feierwillige LGBT-Community, die zu lauter technoider Musik und bunt verkleidet im Juni durch Zürichs Strassen tanzt. Warum? Weil die mediale Berichterstattung zumeist genau das vermittelt – wenngleich dieses Bild vielleicht auf maximal 20% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zutrifft. Wir, die wir die Geschichte des Umzugs kennen, die wir daran teilnehmen, wissen, dass das so nicht stimmt. Natürlich ist es lustig, mitzulaufen. Natürlich macht es uns vielleicht auch Spass, aufzufallen und allenfalls ein wenig zu provozieren. ABER: unsere Motivation, teilzunehmen, ist in ihren Grundzügen eine Politische: Wir wollen uns zeigen, auf uns und die herrschenden Missstände aufmerksam machen, Zeichen setzen, und auch jene Menschen ehren, die vor vielen Jahren mutig damit begonnen haben, gegen Unterdrückung und Repression anzukämpfen. Und da wir glücklicherweise in einem Land leben, wo es uns grösstenteils erlaubt ist, unser Leben unbehelligt so zu leben, wie wir es wollen, ist der Umzug ein fröhliches Happening. Das ist ein Grund zu feiern. Uns, unsere Lebensart, und unsere bisherigen Errungenschaften.
Kommando zurück – und das ist gut so!
Die Veranstalter der Zurich Pride haben das Programm wieder umgestellt: Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga wird ihre Rede am Samstag um 17:45 Uhr am Turbinenplatz halten. Man vertraut nun anscheinend doch darauf, dass die Community dem hohen Gast den gebührenden Respekt entgegenbringen kann und wird. Und ich bin mir sicher, dass wir niemanden enttäuschen werden. Denn ich vertrete die Meinung, dass wir sehr wohl politisch interessiert, politisch aktiv sind. Das sehe ich einerseits an den Leserzahlen unseres Blogs, wenn wir einen Artikel mit politischem Hintergrund publizieren. Das hat aber zum Beispiel auch der letztjährige Aufmarsch auf dem Berner Bundesplatz, als es darum ging, unser Recht auf Adoption einzufordern, gezeigt. Wobei anzumerken ist: auch da haben wir keine langen Gesichter gezogen. Auch da war alles bunt. Auch da waren wir fröhlich und zuversichtlich. Denn Politik und Spass müssen sich nicht zwingend gegenseitig ausschliessen. Ganz im Gegenteil: Unsere Anliegen lassen sich doch viel besser und effizienter anpacken und umsetzen, wenn wir mit Freude dabei sind! Deswegen: lasst uns die Pride geniessen, lasst uns die Community feiern, und lasst uns jene, die sich für uns einsetzen, herzlich empfangen und mit unserer positiven Stimmung anstecken. Damit sie sich auch zukünftig für uns einsetzen. Damit wir in ein paar Jahren weitere Meilensteine erreicht haben. Damit auch die nächsten Generationen fröhlich die Pride zelebrieren können.
lesbian chic wird an diesem Wochenende natürlich auch unterwegs sein. Auf unserer Facebook-Seite teilen wir unsere Impressionen, und halten euch über die Geschehnisse im Rahmen der Zurich Pride auf dem Laufenden.
Be proud and cu at pride!
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