Review Zurich Pride 2012
Eben noch haben wir darauf hingefiebert, nun ist sie schon wieder vorbei: die Zurich Pride 2012. Unsere gesammelten Eindrücke und die Antwort auf die Frage, ob die Gay-Community fähig war, die Rede von Simonetta Sommaruga aufmerksam zu verfolgen, gibt’s im Folgenden.
Freitag
Am Freitag war unser Plan, zunächst dem Reisebüro Pink Cloud (Reisbüro für schwules und lesbisches Reisen, absolut zu empfehlen) und dem Turbinenplatz einen Besuch abzustatten, und später in der Badi Enge in sommerlicher Atmosphäre etwas Party zu machen. Bei Pink Cloud hatten sich um 18:30 Uhr noch nicht viele Gästinnen und Gäste eingefunden. Umso herzlicher wurden wir von der netten jungen Mitarbeiterin empfangen und umso intensiver kümmerte sie sich um uns. Das alles in stilvoller Atmosphäre und mit Gratis-Champagner. Ein gemütlicher und gelungener Start in das Wochenende, wie wir fanden. Der Turbinenplatz, wo wir uns gegen 19:00 Uhr einfanden, war bei unserer Ankunft auch noch etwas sehr leer – was es uns aber ermöglichte, alle Essensstände in Ruhe zu begutachten, uns mit unserer Wahl ellenlang Zeit zu lassen, und das gewählte Dinner gar sitzend einzunehmen (davon werden die Leute am Samstag wohl geträumt haben). Die Musik war eher chillig, was sich erst mit dem lauten Auftritt von „Hunter Valentine“ änderte. Und da waren sie dann auch endlich, die kreischenden Fans (vornehmlich aus unserer Community), die den Platz vor der Bühne belagerten.
Mit der Zeit fanden sich immer mehr bekannte Gesichter auf dem Festivalgelände ein, doch Party-Stimmung kam irgendwie nicht richtig auf. So entschlossen wir uns, gegen halb zehn in Richtung Seebadi Enge weiterzuziehen – wo wir ohne Scheiss anstehen mussten. Eine geschlagene Viertelstunde. Nun denn, die Vorfreude auf eine ausgelassene Party zu Sabakas treibend technoidem Sound versüsste uns die Wartezeit, und kurz nach 22:00 Uhr wurde uns netterweise Einlass gewährt. Die Location war denn auch voller Szene-Frauen, die aber leider nicht ihre Hüften kreisen liessen, sondern vielmehr irgendwo herumsitzten oder herumstanden. Und um halb 12 drehten die Veranstalterinnen auch bereits den Sound ab – was natürlich auch nicht zu ausschweifendem Partymachen animierte. Wie auch immer: die etwas sehr chillige Sause trug dazu bei, dass ich am Samstag schon um 10:00 Uhr putzmunter aus dem Bett hüpfte und bereit war für Tag 2. Ganz im Gegensatz zu manch anderen chicen lesbian chics, die entschieden hatten, der WE ARE ZURICH-Party im Club Exil einen Besuch abzustatten – und für den Rest des Wochenendes nicht mehr gesichtet wurden. Deren Kurzfazit der Nacht: Super Musik, viele Männer, ein paar süsse Girls. (Mehr hat das Erinnerungsvermögen wohl nicht mehr hergegeben.)
Samstag
Gegen 14:45 Uhr wollten wir den Umzug beim Stauffacher abpassen, mussten uns aber bereits etwas sputen. Dieses Jahr hatte die Parade ein ziemliches Tempo drauf. Die meisten Leute scharten sich hinter die Wagen mit lauter Musik (zum Beispiel Offstream). Und so liefen wir denn erfreulicherweise äusserst zahlreich (gemäss Schätzungen waren wir an die 8000 Leute plus circa 15000 Zuschauer), wenn auch weniger schrill als in vorigen Jahren, im Sauseschritt und bei rekordverdächtigen Temperaturen die Route ab. Ein grosses Kompliment an dieser Stelle an die Hüpfdohlen, die während zwei Stunden unermüdlich ihre Aerobic-Choreo zum besten gaben. Ich wäre wohl schon nach 20 Minuten kollabiert. A propos kollabiert: da einige Damen aus unserem Bekanntenkreis bereits nach dem Umzug zum ersten Mal schlapp zu machen schienen, statteten wir der Barfüsser-Bar zwecks erfrischenden Drinks einen Besuch ab, bevor wir uns an den Turbinenplatz begaben.
Die Sonne benebelte wohl etwas unser Zeitgefühl, und so liefen wir beinahe noch Gefahr, die Rede von Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu verpassen. Doch genau als sie die Bühne betrat, waren wir natürlich zur Stelle: inmitten vieler, vieler Community-Mitglieder, die sich, wie sie mir bereits am Nachmittag erzählt hatten, vor allem wegen der prominenten Gästin auf dem Festgelände eingefunden hatten, und ihr (mit ein paar wenigen Ausnahmen, aber Deppinnen und Deppen gibt’s überall) gebannt zuhörten. Wir wurden nicht enttäuscht: Die Bundesrätin setzte, wie sie selber sagte, zu einem Werbespot an. Einem Werbespot gegen Diskriminierung, für Respekt gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe und Sexualität sowie für Toleranz und Offenheit. Ihre Rede (die Ihr übrigens hier nachlesen könnt) stiess auf enormen Zuspruch, und so wurde sie immer wieder von tosendem Applaus und Jubelschreien unterbrochen, die sie innehalten und verlegen lächeln liessen. Man merkte ihr an, wie überwältigt sie von so viel positiver Rückmeldung war, wie stolz es sie machte, vor uns zu sprechen. Und wir im Gegenzug waren und sind froh, dass eine Frau ihres Ranges an diesem Tag den Weg zu uns fand, vor uns sprach, und uns versicherte, sich für unsere Anliegen einzusetzen. Dass das nicht selbstverständlich ist, sollten wir uns stets vor Augen halten.
Den Rest des frühen Abends verbrachten wir unter Freunden, in gelöster Atmosphäre. Wieder vermochte meiner Meinung nach das Rahmenprogramm nicht wirklich zu überzeugen. Musikalisch gesehen hätte ich es zum Beispiel sehr begrüsst, wenn etwas mehr auf die Party-Stimmung gedrückt worden wäre (bitte mit qualitativ hoch stehender Musik), aber immerhin kamen die Moderatoren kaum mehr zum Zug. Diese wurden in der Community übrigens (einmal mehr) kontrovers diskutiert. Vielleicht sollten sich die Organisatoren des Festivals für die Zukunft überlegen, das Programm am Turbinenplatz etwas zu überarbeiten. Ab und an mit Neuem und Innovativem aufzuwarten kann nicht schaden.
Wer zu später Stunde im X-Tra an der Wonderland-Party war, weiss: diese Sause hat gerockt. Und wir auch. Da gab’s treibende Bässe, Lasershows, Transvestiten und Transsexuelle in heissen Outfits und sogar einen Geiger, der einmal mehr den Beweis erbrachte, dass sich Klassik und elektronische Musik hervorragend ergänzen. Für jagdwillige Single-Frauen eignete sich diese Party wohl, analog zum EXIL am Vorabend, etwas weniger. Denn auch hier galt: Männer waren in der klaren Überzahl. Aber: das hatten wir ja auch so kommuniziert. Also muss Jägerin nächstes Jahr halt ins Acanto (wobei ich dann keine Beschwerden à la: „dort hat’s aber keine heissen Frauen!“ lesen oder hören will).
Fazit
Wir haben eine sommerlich heisse Zurich Pride erlebt, die partytechnisch wohl nicht ganzheitlich zu überzeugen vermochte, jedoch mit anderen Highlights wie eben dem Besuch und der Rede von Frau Bundesrätin Sommaruga auftrumpfen konnte. Den Organisatoren gebührt an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür, dass sie diese sympathische und wichtige Persönlichkeit für den Event gewinnen konnten. Aber auch uns Teilnehmerinnen und Teilnehmern gebührt grosses Lob: Ich finde es nämlich überwältigend schön, dass wir, Jahr für Jahr, so viel Freude und Fröhlichkeit verbreiten, und das Pride-Wochenende stets eine solch friedliche Veranstaltung ist. Das gibt es höchst selten bei anderen Anlässen dieser Grössenordnung. Und ich bin auch stolz darauf, dass eine kleine Stadt wie Zürich es immer wieder schafft, so viele Menschen zu mobilisieren. Das zeigt, dass uns sehr wohl bewusst ist, dass es mit an uns liegt, die Gesellschaft zu verändern. Und das wir gewillt sind, anzupacken und unser Bestes zu geben, damit die Zukunft noch besser wird als die Gegenwart.
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