Review: Pink Apple 2014
Nun ist auch das 17. Pink Apple Festival wieder Geschichte. Zwischen dem 30. April und dem 11. Mai besuchten insgesamt 9’000 Besucher_Innen das schwullesbische Filmfestival in Zürich und Frauenfeld – laut OK ein voller Erfolg! Auch wir haben uns unter die Leute gemischt; hier unser Bericht dazu.
Pink Talk: Junge Homosexuelle und Suizid
Nach einer Woche Dauerregen zeigte sich das Wetter über Zürich am 05. Mai mal wieder von seiner freundlichen Seite – Sonnenschein und blauer Himmel. Etwas überraschend war das Cabaret Voltaire dennoch bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Pink Talk um 19 Uhr eingeleitet wurde. Nach einem etwas schleppenden Beginn nahm das Gespräch dann Fahrt auf und die Gesprächsteilnehmer_Innen diskutierten neben möglichen Gründen für die hohe Suizidrate unter jungen Homosexuellen auch potentielle Präventivmassnahmen. In der Tat waren die genannten Zahlen erschreckend: junge Schwule und Lesben unternehmen zwei bis fünf Mal häufiger einen Suizidversuch als gleichaltrige Altersgenossen und eine_r von drei Homosexuellen mit Suizidgedanken versucht sich das Leben zu nehmen (bei den Hetis ist’s eine_r von 34).
Als Fazit kann formuliert werden, dass es mehr bezahlter Stellen für schwullesbische Berater_Innen bedarf, dass die Mitgliedschaft bei schwullesbischen Vereinigungen wichtig ist, um die jetzt bestehenden Projekte nicht zu gefährend, dass das Coming-Out jungen Menschen noch immer zu schaffen macht, dass unterstützende, ernst gemeinte Gespräche manchmal Leben retten können.
Long Time Love von Mitra Devi und Bea Huwyler, CH 2014, 50min
Der Dokumentarfilm Long Time Love der Schweizer Filmemacherinnen Mitra Devi und Bea Huwyler sahnte in Frauenfeld den Publikumspreis ab! Es handelt sich um einen unaufgeregten Low (oder Non) Budget Film, in dem fünf Frauenpaare auf einem Sofa in ihrer Wohnung 10 Fragen über ihre langjährige Beziehung beantworten. Langjährig, das heisst in diesem Fall 11 Jahre aufwärts. Bei der Auswahl der Frauenpaare haben Devi und Huwyler ein gutes Händchen bewiesen – die Frauen hätten unterschiedlicher nicht sein können: Zwei spirituell verbundenen Ü60 Frauen, die nicht einmal der Tod auseinander bringen könne; ein Paar, das am liebsten nichts getrennt unternimmt – was zugegebenermassen eine sehr abschreckende Wirkung auf uns hatte! –; zwei Lesben, die sich in einer evangelikalen Freikirche kennen gelernt haben… So fallen die Antworten auf die immer gleich formulierten Fragen sehr abwechslungsreich und unterhaltsam aus. Natürlich durfte auch die Frage nach dem Sex nicht fehlen: Seid beruhigt, liebe Frauen, auch nach über 11 Jahren Beziehung kann – so ist zumindest den Antworten nach zu urteilen – das Intimleben noch spannend und erfüllend sein!
Coming-Out, Kurzfilme
In dieser Kurzfilmserie wurden sieben Kurzfilme vorgestellt, die im weitesten Sinne das Coming-Out thematisieren. Die Veranstaltung fand im Zusammenhang mit dem Special Schule statt und sollte insbesondere das Interesse von Lehrpersonen wecken. In Zusammenarbeit mit dem Schulprojekt Gleichgeschlechtliche Liebe Leben (GLL) sind Kurzfilme zusammengestellt worden, die im Unterricht gezeigt werden können, um die Schüler_Innen für die Themen ‘Homosexualität’, ‘Homophobie’, ‘Genderrollen’ und ‘Anderssein’ zu sensibilisieren. In der Tat war für jede Altersklasse mindestens ein Film ausgestrahlt worden, der im Unterricht sehr gut mit den Schüler_Innen besprochen werden könnte. Für jüngere Kinder empfehlen wir den Kurzfilm Wini + George
(USA 2013, 11min). Es wird ein Junge gezeigt, der sich von den anderen dadurch unterscheidet, dass er lieber mit Pferden und Puppen spielt, als dass er sich auf dem Fussballfeld profiliert. Sein Umfeld bringt ihm dafür wenig Verständnis entgegen. Zum Glück lebt im Nachbarshaus die gutmütige Wini, welche ihm einen Raum schafft, um seine Kreativität und seine Phantasien auszuleben. Der Kurzfilm thematisiert das Coming-Out oder die Homosexualität nur indirekt. Vielmehr wird gezeigt, wie Jungs ein jungenhaftes und analog dazu den Mädchen ein mädchenhaftes Verhalten anerzogen wird. Hinter dem zwanghaften Versuch, Kinder in eine Schublade pressen zu wollen, steckt die Angst, es könnte homosexuell werden und müsse nun, gerade noch rechtzeitig, auf den richtigen, sprich heterosexuellen Weg zurückgebracht werden. Dass ein Kind, welches nicht in eine Geschlechterrolle passt nicht partout homosexuell sein muss, wird in der Gesellschaft zu selten in Betracht gezogen.
Taglia Corto! (CH 2012, 12min) eignet sich besser für Jugendliche. Filipo Demarchi kehrt für ein Wochenende in den Tessin zurück, um mit seinen Eltern über seine sexuelle Orientierung zu sprechen. Die Eltern reagieren schroff, lehnen seine Homosexualität ab, wollen nicht verstehen, weshalb ihm wichtig ist, dass sie ihn bedingungslos unterstützen. Leider kommt nicht ganz deutlich zum Ausdruck, wie sehr Demarchi darunter leidet, doch dies bietet gerade Anlass, um mit den Schüler_Innen die Folgen eines solchen Verhaltens seitens der Eltern respektive des Umfelds zu diskutieren.
Alle Kurzfilme können für den Schulgebrauch kostenlos bei der Pink Apple Organisation bezogen werden.
Fazit
Alles in allem war das Pink Apple auch dieses Jahr wieder sehr erfolgreich. Es wurde ein sehr vielseitiges Programm mit vielen Specials, Pink Talks und unterschiedlichsten Filmen gezeigt. Ein Wehmutstropfen bildet die lesbische Filmauswahl: Im Vergleich zum Männerprogramm fiel jenes für die Frauen deutlich abgespeckter aus. Insgesamt wurden zwei Kurz-, sieben Dokumentar- und zehn Spielfilme (davon sind drei vor 2007 publiziert worden) mit lesbischem Inhalt gezeigt (Männer: 3 / 8 / 20). Die lesbische Filmpalette dieses Jahr hat uns nicht ganz überzeugt: ein Grossteil der Filme ist auf ein älteres Publikum ausgerichtet. So erstaunt es auch nicht, dass die jungen Frauen eine kleine Minderheit bildeten am Pink Apple. Ehrlicherweise müssen wir aber anfügen, dass sich im Gegensatz zu früheren Jahren immer mehr junge Frauen unters Publikum mischen. Allenfalls könnten noch mehr angelockt werden, indem man reduzierte Tickets für Studentinnen und Auszubildende oder einen Festivalpass anbieten würde.
Andererseits steht die Frage im Raum, ob überhaupt mehr Interessentinnen gewünscht werden. Bereits jetzt platzt das Pink Apple aus allen Nähten: wer im Voraus keine Tickets besorgt hat, kann zumindest in Zürich (zunehmend aber auch in Frauenfeld) nur mit sehr viel Glück oder zu Randzeiten noch einen Platzt im Kinosaal ergattern. Bereits ab Verkaufsbeginn werden die Tickets erhamstert – letztes Jahr trieben’s einige mit 50 Tickets wirklich auf die Spitze. Bei nur einem Verkaufsschalter staut sich die Warteschlange schon mal bis zum Limmatquai, was dazu führt, dass die Leute bereits 90 Minuten vor Schalteröffnung Spalier stehen; und dies stundenlang. Ja, das Pink Apple würde etwas von seinem Charme verlieren, würde es in grössere Kinosäle verlegt – doch vielleicht muss dieses Risiko eingegangen werden, damit nicht so viele verärgerte Kund_Innen ohne die gewünschten Tickets zurück bleiben. Das Festival bietet eine grossartige Gelegenheit, schwullesbische Filme zu Gesicht zu bekommen, was ja bekanntlich nicht selbstverständlich ist…
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