Mode und Stil – lesbian chic im Interview
1) Welche Bedeutung hat das Aussehen in der Lesbenszene?
Carolin Marie Lange: Aussehen hat einen hohen Stellenwert. Szene ist immer oberflächlich, egal ob Punker, Raver, Metal oder Lesbenszene. Es geht um eine Zusammengehörigkeit die zwar eigentlich auf Idealen und Gemeinsamkeiten beruhrt aber in Flüchtigkeiten doch zunächst durch Äußerlichkeiten deutlich wird.
Es ist doch so: Die meisten Frauen stehen entweder auf Femmes oder auf Butches. Ich würde sagen das ist in 80% der Fälle so. Für mich käme tatsächlich auch nie eine männliche Frau in Frage. Mir gefallen lange Haare, Kleider und Lippenstift. Das finde ich einfach sexy. Da kann die Frau noch so interessant und spannend sein – wenn sie aussieht wie ein Mann, dann wird sie halt mein Kumpel, aber kommt nicht mit ins Bett oder vor den Altar.
2) Gibt es nach wie vor einen einen Unterschied zur Schwulenszene?
Chantal Genoud: wir denken die Lesben und Schwulen gehen einen eigenen Weg aber was sie verbindet ist der Durchbruch in den Geschlechterrollen. Früher war ein Mann männlich und eine Frau zwingend weiblich. Heute ist es anders. Somit hatte die Schwulen- und Lesbenbewegung in den letzten 30 Jahren auch einen gesellschaftlichen Einfluss. Auch Männer dürfen sich schminken und eine Frau ist nicht weniger Frau auch wenn sie von aussen als sehr männlich wahrgenommen wird. Aber Stiltechnisch sind wir verschiedenen und haben unsere eigenen Trends und Einflüsse.
Carolin Lange (grinst): Wir sind auch Frauen und Schwule sind Männer
3) Sind Lesben Eurer Meinung nach modebewusster als noch vor 20 Jahren? Warum?
Fabienne Fini, unsere Redaktionsälteste (atmet tief ein):
Was für eine Frage? Sind Frauen generell modebewusster als vor 20 Jahren? Vor 20 Jahren, da war ich gerade einmal 11 Jahre alt, mein Leben war von Sport und Hardrock-Musik dominiert, meinem damaligen Stil entsprechend. Nun bin ich 31 Jahre alt. Ich mag es, mit Mode zu experimentieren und auch mal mit den Geschlechterrollen zu spielen.
Chantal Genoud: Ich auch, ich mag den Dandy-Stil mit Hüten, Blazers und Krawatten.
Fabienne Fini: Das hat aber nichts mit meiner Vorliebe zu Frauen zu tun.
Chantal Genoud: Ich sehe das anders. Ich glaube, dadurch, dass ich offener zu meinem Frau Sein stehen kann und mich nicht dem Tussi-Code unterwerfen muss da ich lesbisch bin. Früher waren wir noch von der Emanzipationsbewegung mitgerissen, da war halt asexuell in. Heute ist es eher freier von Klischees, hoffe ich zumindest.
Fabienne Fini: Wir müssen und auch Fragen, welche Lesben wir Anfang 90er Jahren denn kennen gelernt und wahrgenommen haben. Wohl vor allem jene, die sich entsprechend kenntlich gemacht haben und die passen wohl nicht auf das Cover einer Vogue. Heutzutage ist die Gesellschaft offener, toleranter und wir Frauenliebende Frauen scheuen uns kaum mehr, mit unseren Liebsten Hand in Hand auf der Strasse zu flanieren. Nur in extrem ruralen Gebieten oder wo die Repressionen aufgrund kulturellen Hintergründen gross ist, passen wir heute auf. So finden wir heute auch Femmes, die sich modetechnisch kaum von stylischen Hetero-Chicks unterscheiden. Die Holzfäller Hemden und Igelfrisuren sind deshalb aber nicht verschwunden.
Carolin Marie Lange: Die Lesben, die wir von 20 Jahren gesehen haben, sehen wir immer noch. Der Wandel in der Mode hat nicht viel mit der Lesbenszene zu tun. Allgemein ist die Mode für Frauen vielfältiger und gewagter geworden. Natürlich hat es auch etwas mit dem Internet zu tun, dass sich lesbische Frauen über Mode austauschen können und sogar lesbische Modelabel gründen können.
Fabienne Fini (begeistert): Langer rede kurzer Sinn: Ich glaube, Lesben und auch alle anderen Frauen sind was Mode betrifft vielfältiger und mutiger geworden.
(alle nicken)
4) Gibt es heute mehr Klischées (Lipstick Lesbian / Femmes / Butch) als früher?
Carolin Lange: Ich denke, dass die Klischees nach wie vor sehr präsent sind. Ich kenne allerdings viele lesbische Frauen, die sich mittlerweile fernab von all diesem bewegen wollen. Der queere Begriff wird immer moderner. Ich finde das kann man auf zweierlei Arten werten: Natürlich ist es schön, einfach zu sein ohne sich Gedanken zu machen, was man sein will. Allerdings finde ich es auch wunderschön, sich ganz klar als Frau definieren zu können. Es lebe die Freiheit, wo frau verschiedenen Einstellungen offen gegenüber sein darf.
5) Welche Bedeutung hat Aussehen und Style für Dich persönlich?
Flora Robin: Mode spiegelt meiner Meinung nach vieles vom Charakter wieder. Ein Style kann so vieles aussagen. Man zieht das an was man versucht zu repräsentieren. Beim Kennenlernen schaut man sich zuerst den Style an. Wie ist die Person gekleidet, was will sie damit aussagen bzw. will sie etwas aussagen? Allerdings muss Mode auch zu einem selbst passen. Deswegen kann Mode und Style auch zeitlos sein, wenn man es nicht allgemein sondern individuell betrachtet.
Fabienne Fini: Ja, bei mir ist das so: Mein Aussehen und mein Style repräsentieren, wer ich bin. Oder zumindest, wer ich während einer bestimmten Lebensphase
bin. Ich mag es beispielsweise gar nicht, umgestylt oder umfrisiert zu werden. Und wenn, dann nur von Menschen, die mich in- und auswendig kennen.
Chantal Genoud: Das stimmt. Im Morgenpijama sehe ich anders aus! Für mich hat Stil und Aussehen auch eine hohe Bedeutung, weil ich glaube, dass attraktive Menschen eine höhere Anziehungskraft haben. Wie Flora finde ich, dass Mode den Charakter unterstreichen kann. Es geht aber auch um den Habitus, wie Frau sich in den Kleider bewegt. Das hat mit Stil zu tun.
Flora Robin: Mode kann das Aussehen unterstützen, unterstreichen, betonen, hervorheben, und vieles mehr. Man kann gut gekleidet sein, dass bedeutet aber nicht, dass man gut aussieht und umgekehrt.
Carolin Lange: Es geht darum zu sehen und gesehen zu werden. Wenn ich mit meiner Freundin ausgehe, reißen wir die Klamotten aus dem Schrank wie pubertäre High-School-Mädchen vor dem Abschlussball. Ich gehe meist mit einem Kleid aus, ziehe mir einen Liedstrich und trage Rouge auf. Die feminine Rolle gefällt mir und meiner Freundin gefalle ich so auch. Wenn ich so zur Arbeit gehen würde, würde mir das allerdings niemand abkaufen. Mir ist es immer wichtig, ein Outfit zu wählen, mit dem ich mich in der Situation wohl fühle: Am Strand trage ich auch mal Shorts, auf der Arbeit am liebsten Jeans und beim Ausgehen eben ein Kleid.
Chantal Genoud: Ich persönlich mag androgyne Kleider, also Mische Neues von günstigen Läden, klassischen von Esprit oder Zara oder MNG.
Fabienne Fini:
Es gibt aber auch Tage, wo ich mich im Spiegel betrachte und nicht wiedererkenne, dann können mich auch keine 1000 Komplimente vom Gegenteil überzeugen.
(Alle stimmen dem zu)
Chantal Genoud: Solche Tage gibt es auch in meinem Leben! (lacht) Es ist schön, mit verschiedenen Stilen experimentieren zu können. Es geht darum, dass meine Kleidung meine Attitüde unterstreicht, darum haben wir von lesbian chic auch Shirts anfertigen lassen für die selbstbewusste Frau. Auch Shirts für bi- oder queersexuelle sind per Ende August auf lesbianchic.ch im Online-Shop erhältlich.
Fabienne Fini: Ja, die Kleider, welche wir entwickeln gefallen mir. Doch zum Style will ich sagen: My style, that’s just me!
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1 Comment
Super tolles Interview!
Ich kann die Aussagen absolut nachvollziehen.
Und trotzdem: Don’t judge a book by its cover ;-)
LG