Lesbian Bed Death – wenn die Lust auf Sex einfach weg ist
Google Analytics zufolge wird unser Blog am häufigsten von Frauen zwischen 18 und 35 Jahren besucht. Man müsste meinen, dass eine sexuelle Durststrecke in diesem Altersspektrum ausgeschlossen ist. Ist dem wirklich so? Stimmt das Bild der zügellosen, leidenschaftlichen Jugend und des verstaubten Alters, das uns in den Medien gezeigt wird? Trifft der Lesbian Bed Death nur die älteren Frauen und auch nur Frauen in monogamen Beziehungen? Ein Blog über Studien, Theorien, Gehörtes und eigene Erfahrungen.
Vom Lesbian Bed Death, oder übersetzt „Lesbischer Bettentod“, haben wohl die meisten schon gehört. Geschaffen wurde der Begriff von den amerikanischen Soziologen Pepper Schwartz und Philip Blumenstein. Sie schrieben in Ihrem Werk „American Couples: Money, Work, Sex“ von 1982 erstmals über die angeblich unausweichliche Abnahme des sexuellen Interesses an der Partnerin in lesbischen Dauerbeziehungen. Die Soziologen glaubten herausgefunden zu haben, dass Langzeit-Frauenpaare wesentlich weniger oft Sex haben als heterosexuelle oder schwule Paare.
Kritiker werfen den Studienleitern vor, dass der Begriff „Sex“ in Frauenbeziehungen durchaus nicht einfach zu definieren und die Studie daher verzerrt ist. Das könnte tatsächlich so sein, denn ist ein Mann involviert, dann beginnt Sex in der Regel mit dem Einführen des Penis. Und bei Frauen? Beginnt Sex beim Küssen? Mit Streicheln der Intimzone? Beim Stimulieren der Klitoris? Beim Eindringen in die Vagina mit dem Finger, der Zunge, dem Spielzeug? Erfahrungsgemäss beginnt Sex bei jeder Frau woanders.
Ist der Bettentod tatsächlich nur ein lesbisches Problem?
Dennoch ist es nicht wegzudiskutieren, dass die Häufigkeit von Sex mit der Dauer der Beziehung in der Regel weniger wird. Das als rein lesbisches Problem zu bezeichnen, halte ich für falsch. Als ich früher als Barkeeperin arbeitete, beklagten sich täglich Männer um die 50, langjährig verheiratet, darüber, dass zu Hause im Bett einfach nichts mehr liefe. Je mehr Alkohol geflossen war, desto offener wurden die Herren. Sie versuchten zu erklären, weshalb ihre Leidenschaft einem Hetero-Bettentod zum Opfer gefallen ist. Die Erklärungen reichten von „Ich hab keine Lust mehr, denn meine Frau hat sich gehen lassen“ über „Ich komme immer so spät nach Hause und sie schläft dann schon“ bis hin zu „Wir haben Kinder, da kann man halt nicht mehr lauthals durch die Wohnung poppen“. Es war aber doch offensichtlich, dass die meisten Männer die Schuld an dem wenigen oder nicht mehr vorhandenen Sex den Frauen in die Schuhe schoben. „Sie hat einfach keine Lust mehr“ hörte ich wohl am häufigsten. Wenn ich mich dann erkundigte, was sie bereits unternommen hatten, damit ihre Frauen sich mal wieder fallenlassen könnten, fielen die Antworten meistens eher verhalten aus.
Fazit meiner nicht wissenschaftlich belegten Studie an der Hotelbar: Frauen sind anspruchsvoll, wenn es um Sex geht. Und je erfahrener eine Frau ist, desto anspruchsvoller wird sie. Und ich, als Frau und quasi „Direktbetroffene“, finde das auch voll in Ordnung so. Weshalb soll ich mich einfach besteigen lassen, wenn ich doch weiß, dass ES mit etwas Raffinesse, dem richtigen Vorspiel, dem richtigen Zubehör oder der richtigen Stimmung einfach viel intensiver ist? Die logische Erklärung für einen Bettentod, egal ob lesbisch oder hetero, wäre somit „der/die Partner/in bemüht sich zu wenig“. Aber ist es wirklich so einfach?
Thesen zum Lesbian Bed Death
Es gibt noch weitere Studien von Sexualforschern, die Gründe für den ausbleibenden Sex in Frauenbeziehungen suchten. Einige Theorien besagen, dass Frauen häufig dazu neigen, einander zu bemuttern und diese mütterlichen Gefühle zwar den Wunsch nach Nähe und Kuscheln fördern, nicht aber nach Sex und damit auch nach Fortpflanzung. Überträgt man dieses Verhalten in die Natur und bezieht den Aspekt des Inzests mit ein, würde diese Reaktion „Muttergefühle = Nähe aber nicht = Sex“ durchaus einen Sinn ergeben.
Andere Studien belegen, dass Frauen in langen Beziehung auch mit weniger häufigem Sex erfüllter sind, als Single-Frauen in kurzen, leidenschaftlichen Affären. Weshalb? Weil Frauen langfristig nach einer stabilen, sicheren Beziehung suchen. Sie streben Geborgenheit an und nicht Leidenschaft. Auch das macht, frei nach Darwins Evolutionstheorie, Sinn: Frauen befinden sich nur für eine gewisse Anzahl an Jahren im gebärfähigen Alter. Sie sind aber auch später auf einen verlässlichen Versorger und Beschützer angewiesen. Zudem ist das Leben zu Zweit einfach schöner. Und dauernd nach dem nächsten Abenteuer zu jagen zerrt irgendwann an den Kräften.
Bed Death – selbst erlebt und selbst erklärt
Die meisten Zeitschriften, Filme und Ratgeber sagen uns, dass in einer Beziehung einiges schief läuft, wenn die Flaute im Schlafzimmer einzieht. Wenn man jemanden liebt, so soll man gefälligst immer spitz sein. Die Medien suggerieren einem ganz generell, dass sexuelle Dauererregung heutzutage zum guten Ton gehört. Schließlich schmachten uns an jeder Ecke halbnackte Männer und Frauen von den Plakatwänden an und im TV wird auch rumgevö***t, was das Zeug hält. Ich kenne Frauenpaare, die sind absolut glücklich in ihrer, nicht durch Sex definierten, Beziehung. Sie genießen die körperliche Nähe und die Liebe, ohne ihre Vaginas andauernd ins Zentrum zu stellen. Daran gibt es wohl kaum etwas auszusetzen.
Ist die Lustlosigkeit jedoch nicht von allen „Betroffenen“ hinnehmbar, kann das zu ziemlicher Frustration führen. Statt hier über irgendwelche imaginären „Bekannten“ zu schreiben, bin ich einfach ehrlich und erzähle meine eigene Geschichte zum Bettentod: Ich hatte gegen ein Jahr lang absolut keine Lust auf Sex. Weder Lust auf Sex mit mir, mit einem Mann oder einer Frau. Ich war da 26 Jahre alt und Single. Zuvor hatte Sex in meinem Leben einen sehr hohen Stellenwert. Die drei heterosexuellen Beziehungen, die ich im Alter zwischen 16 und 22 führte, definierten sich fast ausschließlich über Sex (und dauerten zwischen 9 Monaten und knapp 2 Jahren). War ich Single, hatte ich eigentlich immer eine Affäre, manchmal auch mehrere gleichzeitig. Hatte ich gerade kein Betthäschen, so legte ich liebend gerne Hand oder Spielzeug an. In der Regel täglich. Und dann kam Tag X, an dem ich feststellte, dass ich den Zugang zu meinem Körper einfach verloren hatte. Ich wollte mich von niemandem mehr anfassen lassen und ich konnte mich auch nicht mehr selbst berühren. Pornos fand ich widerlich und Liebesfilme begann ich zu hassen. Die Hirnregion, die für meine sexuellen Fantasien und die Lust zuständig war, schien einfach ausgeknockt. Den Grund für meinen sexuellen KO eröffnete sich erst nach ungefähr einem halben Jahr buchstäblicher toten Hose. Dann nämlich, als ich mich wegen einer Erschöpfungsdepression behandeln lassen musste. Ich erkannte, dass ich mich während mehr als einem Jahr einer so starken Belastung ausgesetzt hatte, dass mein Körper so zu sagen auf „Notstrom“ lief. Die Energie reichte noch knapp um den Alltag zu bewältigen. Für “Unnötiges” wie Lustempfinden gab es keine Energie mehr.
Man könnte nun meinen, als ich mich wieder erholt hatte, hätte sich die Sache mit der Lust von selbst wieder eingerenkt. Erst recht dann, als ich mich neu verliebte und mich dem Liebesrausch hingeben konnte. Nein, dem war nicht so. Ich musste erst wieder lernen, mich anfassen zu lassen, mich fallen zu lassen, keine Erwartungen an mich und den Sex zu stellen, es einfach passieren zu lassen. Noch heute, über ein Jahr nach meinem zarten sexuellen Wiedererwachen, ist die Lust ist nicht mehr „einfach da“, wie sie das früher immer war. Es braucht einen klaren Impuls, der die Lust zündet. Und kommt der nicht, dann lebe ich gut und gerne mehrere Wochen ohne Orgasmus und vielleicht fällt es mir nicht einmal auf. Noch vor zwei Jahren wäre so etwas für mich undenkbar gewesen.
Stört mich mein verringertes Sexbedürfnis? Ja, das tut es tatsächlich. Ich habe manchmal wirklich das Gefühl nicht ganz normal zu sein. Schliesslich habe ich eine attraktive Partnerin, mag meinen eigenen Körper und ich mag Sex. Da müsste man doch meinen, dass die Lust einfach so – den Umstände halber – da sein sollte. Tja, manchmal ist sie das, manchmal aber auch nicht.
Kann man den Bettentod überwinden?
Gibt es einen wirklichen, echten Bettentod; hat eine Frau die Lust auf Sex wirklich komplett verloren, dann ist es überhaupt nicht leicht, das Bett wieder zum Leben zu erwecken. Ganz egal, in welcher Form von Beziehung man sich zu dem Zeitpunkt gerade befindet. Sich in die nächste Affäre zu stürzen, bringt einem schlussendlich irgendwann nur wieder an denselben Punkt.
Rückblickend auf meine eigene Erfahrung wage ich zu behaupten, ohne Hilfe in Form einer verständnisvollen Partnerin oder einer Therapeutin ist es nicht zu schaffen. Tipps wie „Trink doch ein Glas Wein und zünde Kerzen an“ oder „Schau doch wieder mal einen Porno“ helfen da kaum weiter. Ist die Verbindung zur Lust gekappt, muss sie wieder neu geschaffen werden. Dass Druck und vorgefasste Erwartungen kontraproduktiv sind, versteht sich da von selbst. Die Vagina nimmt keine Befehle entgegen. Nur, wie geht man dann vor, wenn man doch so gerne wieder Sex hätte aber sich keinen Druck aufbauen will? Hätte ich darauf eine universelle Antwort, würde ich einen Ratgeber schreiben, damit innerhalb kürzester Zeit zur Bestsellerautorin werden und könnte mich dann zur Ruhe setzen.
Sexualität ist so individuell, wie jede Brustwarze. Es wird einen Grund für den Bettentod geben und den gilt es, herauszufinden. Die Frage nach Lustmacher und Lustkiller ist bestimmt ein guter Anfang. Bei dem, was man (noch) mag, kann man anfangen und langsam aufbauen. Die Lustkiller kann man langsam aber sicher abbauen.
Weiterführende Literatur zum Thema
Wer „Lesbian Bed Death“ oder etwas ähnliches googelt, wird drei Arten von Ergebnissen erhalten: Erstens Wikipedia, Homowiki und Blogs, die das Phänomen zu erklären versuchen, zweitens Forumsbeiträge von betroffenen Frauen, die die Lust in ihrer Beziehung wieder entfachen wollen und drittens entsprechende Ratschläge, wie das Sexleben wieder heiß wird (Wein trinken und Pornos gucken, oder ähnlich Hilfreiches).
Wenn der Bettentod aber nicht aus Langeweile an der Partnerin oder an den Praktiken entstanden ist, sondern weil die Lust auf Sex als Ganzes verschwunden ist, ist kaum etwas Brauchbares zu finden. Renate Stendhal, lesbische Paar- und Sexualtherapeutin, publizierte im Jahr 2003 das Buch „True Secrets of Lesbian Desire: Keeping Sex Alive in Long-Term Relationships“ (Übersetzung ins Deutsche erfolge im Jahr 2004 unter dem Titel „Die Farben der Lust. Sex in lesbischen Liebesbeziehungen) in welchem sie drei lesbische Paare begleitet, bei denen das sexuelle Feuer erloschen ist. Ich wollte wissen, welche Erfolgsrezepte die Autorin für sexuell-glücklicke Frauenbeziehungen zum Besten gibt und habe das Buch gelesen.
“Die Farben der Lust. Sex in lesbischen Liebesbeziehungen” ist ein Ratgeber, der eigentlich mehr Erzählung ist. Die Autorin erzählt die Geschichte dreier lesbischen Paare und ihr Weg von einem unbefriedigten Sexualleben zu einem befriedigten. In machen Aussagen und Episoden fand ich mich wieder, in anderen gar nicht. Renate Stendhals Überzeugung ist, dass die Wahrheit und das Spielen Aphrodisiaken sind. Sie stellte fest, dass viele Frauen ihre Wünsche und Bedürfnisse – aus verschiedensten Gründen – nicht aussprechen. Das betrifft nicht nur den Sex, sondern auch Themen aus der Paarbeziehung als Ganzes. Ausserdem sollte Sex aus ihrer Sicht weder eine ernste Sache, noch Arbeit sein. Die Autorin begleitet ihre Klientinnen dabei, mehr oder weniger tief verborgene „Geheimnisse“ an die Oberfläche zu holen und sie auszusprechen. Dazu entwickelt sie mit den Partnerinnen einen „Spielplatz“, auf dem sie sich sexuell austoben können, ohne deren ansonsten funktionierende Beziehung zu destabilisieren.
Die 161 Seiten habe ich mit Leichtigkeit in zwei Abenden gelesen. Es war interessant zu erfahren, wie andere lesbische Frauen das Thema Sexualität in ihren Beziehungne angehen. Das Buch gibt gute Anreize, die eigene Haltung zu überdenken und sich mit der Partnerin mal wieder über intime “Geheimnisse” und Fantasien zu unterhalten. Wenn man sich etwas näher mit dem Lesbian Bed Death auseinandersetzen will, ist das Buch sicher eine gute Wahl. Insbesondere darum, weil es von einer lesbischen Therapeutin geschrieben wurde, die selbst Flauten im Bett erlebt hat. Sie ist eine von uns und das spürt man deutlich aus ihren Texten heraus. Ein Buch, um den Bettentod zu therapieren, ist es jedoch nicht.
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