Wenn Lesben Familien gründen – von Recht bis Regenbogen
Seit Deutschland die Ehe für alle hat, fühlen wir uns fortschrittlich und weltoffen. Aber noch immer gibt es keine absolute Gleichbehandlung. Allein über Adoption und Kindeswohl wird hitzig debattiert. Ein Überblick über die aktuellen Rechte und Einschränkungen von Lesben auf dem Weg zur Regenbogenfamilie in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ehe
Seit dem 1.Oktober 2017 können in Deutschland auch homosexuelle Paare den „traditionellen“ Bund der Ehe eingehen – endlich! Auch Österreich findet, es sei an der Zeit, mental und juristisch im 21. Jahrhundert anzukommen. Hier dürfen Lesben und Schwule ab 2019 heiraten. In der Schweiz ist die Homo-Ehe noch nicht angekommen, da besteht höchstens die Möglichkeit einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, die der Ehe rechtlich fast gleichgestellt ist.
Adoptionsrecht
Durch die Legalisierung der Homo-Ehe können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland gemeinsam Kinder adoptieren, dasselbe gilt für Österreich. Die Schweiz erlaubt nur die Stiefkindadoption. Das heißt, dass man das leibliche Kind seiner Partnerin, mit der man in einer eingetragenen Gemeinschaft lebt, annehmen darf. Umgekehrt ist es verboten, ein fremdes Kind zu adoptieren, solange eine solche zivilrechtlich eingetragene Partnerschaft besteht. In einer inoffiziellen Beziehung ist es theoretisch möglich, dass eine der beiden ein Kind adoptiert und sie es gemeinsam großziehen, unabhängig davon, was auf dem Papier steht – vorgesehen ist es aber nicht. Das gilt für homosexuelle Frauen ebenso wie für Männer.
Künstliche Befruchtung
Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das lesbischen Paaren den Zugang zu künstlicher Befruchtung verbietet. Ausdrücklich erlaubt ist es allerdings auch nicht. Viele heterosexuelle Paare entschließen sich zu diesem Schritt, wenn es ihnen aus verschiedenen biologischen Gründen nicht möglich ist, ein Kind zu zeugen, sie sich aber sehnlichst eines wünschen. Dies ist bei lesbischen Paaren ganz ähnlich – und doch völlig anders, weil meistens beide Frauen zur Empfängnis auf „natürlichem“ Weg in der Lage wären und sich nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gegen den Kontakt mit einem Mann entscheiden.
Lesbische Paare, die sich ihren Kinderwunsch durch eine Samenspende, anonym oder nicht, erfüllen möchten, gelten darum als Sonderfall. Manche Ärzte lehnen es aus persönlichen Gründen ab, sie zu behandeln.
Hat man endlich die Klinik des Vertrauens gefunden, stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Künstliche Befruchtung ist ein kostspieliger Eingriff. Bei Ehepaaren übernehmen Krankenkassen in der Regel einen Teil der Kosten, manche kommen sogar für die gesamte Behandlung auf. Es empfiehlt sich, vorher bei der eigenen Krankenkasse anzufragen, bevor man eine endgültige Entscheidung für oder gegen eine künstliche Befruchtung trifft. Sollten Eigenkosten anfallen, können Lesben diese inzwischen als „außergewöhnliche Belastung“ von der Steuer absetzen.
Die Frau, die das Kind austrägt, gilt als dessen Mutter. Ihre Partnerin kann das Kind dann adoptieren.
In Österreich wird die Frage der Elternschaft noch vor dem Empfang der Samenspende notariell geregelt. Beide Partnerinnen müssen ihr Einverständnis geben und werden im Zuge dessen als Eltern anerkannt. Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt der IVF-Fond bis zu 70% der Behandlungskosten, auch hier ist es gut, sich im Vorfeld zu informieren.
Die Schweiz erlaubt künstliche Befruchtung nur heterosexuellen, verheirateten Paaren.
Die ROPA-Methode
Die bei Lesben beliebte ROPA (Reception of Oocytes from Partner) – Methode läuft folgendermaßen ab: Partnerin A wird eine Eizelle entnommen, mit dem Sperma eines Spenders befruchtet und Partnerin B eingesetzt, die das Kind schließlich austrägt. So können beide ihren Teil zum gemeinsamen Kind beitragen.
Genetisch gesehen ist Partnerin A die Mutter, obwohl Partnerin B diejenige ist, die das Kind zur Welt bringt. Damit sind die deutschen und österreichischen Juristen komplett überfordert und die Schweiz ist sowieso dagegen. Demzufolge ist die Rechtslage zur Frage der Elternschaft in diesem Fall uneindeutig.
Ohnehin ist die ROPA-Methode in keinem der drei Länder durchführbar. Österreich erlaubt die Eizellenspende nicht, es sei denn Partnerin B ist unfruchtbar und braucht die Eizelle von Partnerin A als Voraussetzung, um schwanger werden zu können. Auch in Deutschland ist der Transfer verboten und die Schweizer kommen wahrscheinlich mit Fackeln und Heugabeln, wenn sie ROPA hören.
Lesbischen Paaren ist diese Methode in Spanien zugänglich, wo Eizellenspende erlaubt ist und auch die doppelte Mutterschaft anerkannt wird.
Das Wohl der Kinder
Verfechter des traditionellen Familienbildes argumentieren, ein Kind brauche Mutter und Vater, einen weiblichen und einen männlichen Pol, um gesund zu geraten. Dem entgegen stehen Studien, die belegen, dass Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, sich ebenso normal entwickeln können wie in Hetero-Familien. Viel entscheidender als die geschlechtliche Identität der Eltern ist das Verständnis von Erziehung und die Harmonie in der Familie. Außerdem: Kinder, die bei schwulen oder lesbischen Paaren aufwachsen, werden nicht automatisch auch homosexuell.
Ein weiteres Argument, das Gegner des Adoptionsrechts für Homosexuelle anführen, ist, dass Kinder für ihre beiden Mamas (oder Papas) diskriminiert werden könnten. Dies ist eine reale Gefahr, die nicht kleingeredet oder vernachlässigt werden darf. Allerdings liegt hier das Problem nicht bei den Eltern oder gar den Kindern, sondern beim homophoben Anteil der Bevölkerung. Das Problem löst sich nicht, indem Lesben und Schwulen das Adoptionsrecht verweigert wird. Ganz im Gegenteil: wenn wir uns an Intoleranz ausrichten, bestärken wir sie, anstatt sie zu vermeiden. Mehr dazu hier.
Wen kann ich fragen?
Deutschland:
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland bietet Informationen und Beratung zu sämtlichen relevanten Themen rund um Homosexualität, auch Mustertexte und Material zur derzeitigen Rechtslage.
Projekt Regenbogenfamilienzentrum
Wichtige Anlaufstelle, die Beratung, Gruppenangebote (auch mit Kind) und Fortbildungen organisiert.
Österreich:
Die Homosexuelle Initiative Wien steht Suchenden und Fragenden mit Rat und Tat zur Seite und bietet vielfältige Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch.
FAmOS Regenbogenfamilien ist Netzwerk und Beratungsstelle für Regenbogenfamilien und LGBTIQs mit Kinderwunsch.
Schweiz:
Regenbogenfamilien stellt detaillierte Informationen zur rechtlichen Situation bereit, berät homosexuelle Paare mit Kinderwunsch und setzt sich für die Gleichstellung von Regenbogenfamilien in der Schweiz ein.
Wie Du außerdem Zugang zur Community findest und wo Du Dich am besten vernetzen kannst, erfährst Du hier.
Stand: Dezember 2018
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