Homophobie ist Futterneid Teil 2
Nicht nur Homophobie, auch Lesbophobie ist ein Thema! Die Gesellschaft gewöhnt sich nur langsam an lesbische und bisexuelle Frauen. Wir sind stark und unabhängig! Warum sollte jemand ein Problem damit haben? Vermeintliche Heteras, die gar keine sind. Von Mannslesben, Alphamännchen, den Verlieren des Patriarchats und wie sie sich aneinander abreagieren, liest Du in Teil 2.
Im Teil eins haben wir uns ausführlich der Homophobie gewidmet und Folgendes herausgefunden: die Mehrheit schwulenfeindlich eingestellter Männer hat homoerotische Neigungen, unterdrückt diese aber.
Wie sieht es mit uns Frauen aus? Sind Frauen grundsätzlich lesbisch veranlagt? Und wieso wirken Lesben wie ein rotes Tuch auf das patriarchische Fundament?
Rollenspiele aus Tradition
Was die Identität betrifft, sitzen Frauen und Männer im selben Boot. Wir werden ständig mit Rollenbildern konfrontiert, deren Nachahmung wir uns verpflichtet fühlen. Sei es, weil wir sie nicht hinterfragen, sei es, weil wir dazugehören wollen oder dazu erzogen wurden.
Auch in Beziehungen gibt es Klischees, die so verbreitet sind, dass wir sie als selbstverständlich annehmen. Vom Mann als Versorger und Familienoberhaupt und der Wäsche waschenden, kochenden Hausfrau und Mutter, die ihrem (Ehe)Partner den Rücken stärkt, will die junge Generation inzwischen nichts mehr wissen. Dennoch hält die Mehrheit an heterotypischen, binären Merkmalen fest. Zwar sind sie subtiler, aber nach wie vor in unseren Wertvorstellungen verankert. Während Männer sich als dominante und allzeit potente Alphamännchen und Beschützer inszenieren, neigen Frauen dazu, sich eben diesem Typ Mann anzupassen, ihn komplementieren zu wollen
In lesbischen Beziehungen tritt dieses Ungleichgewicht seltener auf.
„Im Patriarchat verlieren alle.“
Ilan Stefani
Der Mann leidet darunter, seine Rolle des immer Starken ausfüllen zu müssen. Wiederum läuft die Frau Gefahr, ihr eigenes Licht unter den Scheffel zu stellen, wenn sie sich ihm (bewusst oder unbewusst) unterordnet. So fordern beide die Einhaltung der gegenseitig auferlegten Rollenerwartungen, und je mehr sie dafür opfern, desto schwerer fällt es ihnen, davon loszulassen.
Lesben stehen ihren eigenen Mann
Das hat Folgen für unsere Sexualität. Frauen in heterosexuellen Beziehungen erleben Sex häufiger passiv als etwas, das ihnen geschieht. Sie werden geliebt, werden verführt, geben sich hin. Während er unter dem Druck steht, seine Potenz auf Abruf unter Beweis zu stellen, muss sie sich nachsagen lassen, man müsse sie zum Sex erst überreden. Schließlich will keine Frau als Schlampe gelten.
Lesben durchbrechen dieses Stigma, indem sie aktiv begehren und verführen. Auch sind lesbische Paare meinst finanziell voneinander unabhängig und können dementsprechend ausgeglichenere Beziehungen auf der Basis von Freiheit und Autonomie führen.
Ausgehend davon wird klar, wieso Lesben dem Klischee nach als maskulin gelten. Das eigene Begehren gut zu kennen, es zu zeigen und im richtigen Moment die Initiative zu ergreifen, das wird eher mit männlichem Verhalten assoziiert.
Was ist Lesbophobie?
In Teil 1 haben wir bereits untersucht, dass starken emotionalen Reaktionen, Homophobie und Aggression, oft unterdrückte Bedürfnisse zugrunde liegen. Dies gilt ebenso für Lesbophobie. Der Begriff bezeichnet „die Angst von Frauen vor der Liebe zu anderen Frauen, ebenso wie die Angst von Männern, nicht von Frauen geliebt zu werden“ (Cynthia Petersen, Universität Ottawana).
Eine Studie der Universität von Essex gipfelte in der Behauptung, alle Frauen seien ihrer Veranlagung nach homo- oder bisexuell. 74% der Probandinnen, die sich als heterosexuell definierten, zeigten starke Erregung beim Betrachten erotischen Videomaterials, das Lesben beim Liebesakt oder Frauen zeigte, die sich selbst befriedigten.
Lesbische Teilnehmerinnen reagierten dagegen kaum erregt auf Hetero-Sex und den Anblick männlicher Geschlechtsteile.
Das erklärt, ausgehend von unseren Erkenntnissen in Teil 1, wieso es lesbophobe Frauen gibt: wo Selbstbild und sexuelle Neigung auseinanderklaffen, entsteht ein innerer Konflikt, der sich durch eine emotional geladene Abwehrhaltung äußert.
Männer können lesbophobes Verhalten an den Tag legen, wenn ihr patriarchisches Geschlechterbild mit lesbischer Unangepasstheit kollidiert. Der Penis und seine Relevanz für die weibliche Lust genießen eine absolute Überbewertung, die sich selbstverständlich kein Mann, der sich stark mit seiner Hetero-Rolle identifiziert, gern vor Augen führen lässt. Eine Lesbe, die für ihre gefühlte und sexuelle Vervollkomnung keinen Mann benötigt, tut das aber zwangläufig.
Keine Toleranz für Intoleranz
Ladys, niemand weiß besser als wir um die Komplexität und Einzigartigkeit unserer Sexualität. Verführt oder lasst Euch verführen, seid aktiv oder passiv, tragt Hosen oder Röcke, seid traditionell oder unkonventionell – völlig egal. Solange Ihr Euch damit wohlfühlt, zählt kein schiefer Blick und kein schlechtes Argument. Durch das Ausleben Eurer Freiheit bestärkt ihr die Freiheit eines jedes einzelnen. Ihr macht alles goldrichtig!
Nur dadurch können wir Intoleranz und Homophobie wirksam bekämpfen. Wenn wir uns selbst erlauben, zu lieben wen und wie wir wollen, Lust zu haben, selbstbewusst zu sein und Anderen die gleiche Erfüllung zu gönnen, geht es uns allen besser. Wir können dafür sorgen, dass Generationen von Lesben nach uns von Diskriminierung verschont bleiben, indem wir unsere Kinder tolerant erziehen und ihnen beibringen, auf sich selbst und den eigenen Körper stolz zu sein.
Sich von homophoben Sprüchen nicht persönlich beleidigt zu fühlen, sondern ihnen mit dem größtmöglichen Mitgefühl zu begegnen, ist eine Herausforderung. Aber auch die einzige Chance auf wirkliche, langfristige Veränderung. Und vielleicht helft Ihr damit einem Menschen, der durch Euch erkennt, dass er sich nicht länger selbst verleugnen muss.
Selbstschutz im Internet
Jemand, der sich homophob verhält, erbringt dadurch den eindeutigen Beweis, dass er ein Problem hat. Ein Problem, das mit Euch in keinerlei Verbindung steht und an dem Ihr keine Schuld tragt. Die meisten pöbeln aus innerer Unzufriedenheit. Viele davon nur dann, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet, anonym zu bleiben. Stichwort Internet.
Wenn Du jemanden kennst, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung online gezielt diskriminiert, beleidigt oder gar erpresst wird; wenn Du selbst Opfer von Hasskommentaren bist oder Dich schon mit Anfeindungen und dick pics auseinandersetzen musstest, findest Du hier auf vpnMentor einen Leitfaden zum Schutz der eigenen Privatsphäre und Tipps, wie Du Dich gegen Trolle zur Wehr setzen kannst.
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