Love & Dating

HILFE, ICH BIN NEU IN DER SZENE!

Kürzlich hatte ich mal wieder so was wie ein Date. Ich hatte sie ursprünglich auf Purplemoon entdeckt (ja, mir war langweilig): süss, interessant, nicht auf den Mund gefallen – und neu in der Szene. Alles schien mir auf den ersten Blick unproblematisch. Doch gerade die Tatsache, dass sie mit den in der Szene vorherrschenden Gegebenheiten noch nicht sehr vertraut war, sollte sich schon bald als ziemlich mühsam herausstellen.

Vorgeschichte

Im siebten Anlauf hatten wir es geschafft: nach einigen Komplikationen standen wir einander endlich gegenüber. Sie, nennen wir sie Miss Paranoid, und ich. Und, das war doch etwas überraschend, ihre Kollegin (im Folgenden Frau Sonnenschein genannt). Drei Personen, ein Date. Das ist wahrlich keine wirklich optimale Konstellation. Aber da Frau Sonnenschein nicht nur eine gute Freundin von Miss Paranoid, sondern auch eine Kollegin von mir ist, verbrachten wir doch einen ganz lustigen, feuchtfröhlichen gemeinsamen Abend. Irgendwann fragte ich Frau Sonnenschein: „Gibt’s eigentlich eine neue Frau in deinem Leben?“ Ihre freudige Antwort: „Ja, durchaus! Ich bin total verknallt! Und zwar in SIE!“ Und jetzt dürft Ihr drei Mal raten, wen sie mit „Sie“ gemeint hat. Situationskomik pur. Ich werde an meine zukünftigen Dates auch noch mindestens eine Frau mitnehmen, die auf mich steht. Das peppt das ganze Sich-Kennenlernen doch gleich ein wenig auf. Weil – und das wissen wir, die schon etwas länger in der Szene verkehren – Drama ist nicht nur vorprogrammiert, sondern alsbald und zu 100 Prozent auch Tatsache. So natürlich auch an diesem Abend. Frau Sonnenschein ist irgendwann Hals über Kopf in die dunkle Nacht entschwunden, während Miss Paranoid überfordert und panisch immer wieder vor sich hin stammelte: „Scheisse, was hab ich nur gemacht? Was mach ich denn jetzt? Frau Sonnenschein wird mich auf immer und ewig hassen!“ Ich überlasse es eurer Fantasie, zu erahnen, was zu dieser Situation geführt hatte.

Circa einen Monat später traf ich mich zum zweiten Mal mit Miss Paranoid. Diesmal ohne Anhang. Wiederum war die gemeinsam verbrachte Zeit eigentlich recht gelungen – nur stellte sich irgendwann heraus, dass sie doch etwas … paranoide Züge hatte. Sie erzählte mir nämlich, dass sie um ihren Ruf fürchtet, sei sie doch neu in der Szene und hätte sie sich doch ab und an erlaubt, ihr „Single-Dasein“ zu geniessen (huch!). Und da die hiesige Szene doch recht überschaubar ist, würde es jeweils auch nicht allzu lange dauern, bis sich ihre kleinen Abenteuer herumgesprochen hätten (huchhuch!). Ich nahm ihre Sorgen zunächst schmunzelnd zur Kenntnis. Je mehr ich jedoch merkte, wie stark sie diese Situation beschäftigte, blockierte, ihr den Angstschweiss ins Gesicht trieb, stellte ich mir selbst die Frage: Ist sie hypersensibel, oder bin ich mittlerweile einfach immun gegen dieses Szene-Getratsche hinter vorgehaltener Hand? Wie schwierig ist es wirklich, neu in der Szene zu sein? Und: wie viel Mitleid ist angebracht?

Die Szene-Problematik: ein Analyse-Versuch

Warum bewegen wir uns in einer Szene? Weil wir nach Gleichgesinnten suchen, die an keinem anderen Ort mit einer grösseren Wahrscheinlichkeit anzutreffen sind. Weil wir davon ausgehen, dass unsere Einstellungen und Verhaltenweisen von den dort verkehrenden Personen geteilt werden. Weil wir uns einfach unter Unseresgleichen wohl fühlen wollen. Der gemeinsame Nenner der Lesbenszene ist, wie es der Name schon vermuten lässt, simpel: Wir sind Frauen, die auf Frauen stehen. Und wir verfolgen alle das gleiche Ziel, nämlich Bekanntschaften zu machen. Ab und an kommt es denn auch vor, dass wir auf ein weibliches Wesen treffen, das uns gefällt, und dem im optimalsten aller Fälle auch wir gefallen. Bei besonders prickelnden Konstellationen sind sanfte Berührungen, heisse Küssen, wilder und hemmungsloser Sex, leidenschaftliche Affären, oder gar wunderschöne Liebesbeziehungen die Folge. Da die meisten von uns im Verlaufe der Jahre aber nicht nur eine Frau (zumindest kurzfristig) in ihr Leben lassen, entstehen Vernetzungen. Und genau diese bergen ein gewisses Risikopotential: Erspähe ich nämlich eine chices sexy Chick in der Szene, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine kennt, die ich wiederum kenne, oder mit der ich vielleicht schon einmal Berührungen oder Küsse ausgetauscht, oder vielleicht auch eine heisse Nacht verbracht habe, relativ gross. Würden wir ein Chart der hiesigen Lesbenszene à la L-Word anfertigen, dann entstünde wohl ein ziemlich unübersichtliches Wirrwar. Das Wissen darum ist für eine Szene-Newbie wie Miss Paranoid wohl bereits etwas überfordernd, können Vernetzungen doch ab und an zu nervenaufreibenden Komplikationen und Drama führen, wie wir eingangs bereits feststellen konnten. Hinzu kommt dann noch das von gewissen Szene-Gängerinnen mit grösster Hingabe praktizierte Tratschen, der Klatsch, die „enthüllenden Rede über nicht anwesende Dritte“, wie Imhof so treffend formuliert hat. Und das macht natürlich umso mehr Spass, je intimer die Enthüllungen sind. Folglich grassieren in der Szene so einige Geschichten über jede von uns, die sich in diesen Kreisen bewegt. Ob wir das wollen, oder nicht. Ob sie wahr sind, oder nicht.

Cool oder nicht cool – das ist die zentrale Frage

Die Szene und das dort vorherrschende Verhalten sind so, wie sie sind. Daran kann Frau nichts ändern. Deshalb existieren für paranoide Szene-Newbies zwei Möglichkeiten:

  1. Du entscheidest dich dafür, die gegebenen Umstände zu akzeptieren. Das erfordert wohl etwas Selbstbewusstsein und eine gewisse Coolness.
  2. Du ziehst dich aus der Szene zurück. Diese Entscheidung weckt aber den überaus unattraktiven Eindruck, dass du zu viel darauf gibst, was andere von dir denken, leicht aus dem Konzept zu bringen bist, sowie dazu tendierst, eher vor „Problemen“ wegzurennen, anstatt dagegenzuhalten und eine Lösung zu suchen.

Lasst euch von einer, die den vortrefflichen Ruf geniesst, Frauen nur zu benutzen, für eine Nacht abzuschleppen, mit der Peitsche zu maltraitieren, als Sklavinnen zu halten, und ihnen am Morgen danach weder Kaffee noch sonst was anzubieten (Klarstellung: wenn, dann hat die Sklavin den Kaffee ans Bett zu bringen), sagen: Egal, was über euch gesprochen wird, egal, ob es der Wahrheit entspricht, oder nicht, wer sich wirklich für euch interessiert, wird sich die Zeit nehmen, euch kennen zu lernen und sich selbst ein Bild davon zu machen, wer Ihr wirklich seid. So lange es noch Frauen gibt, die sich auf MICH einlassen, kann das Ganze nicht so schlimm sein. Und solltet Ihr Gefahr laufen, daran zugrunde zu gehen, was wer über euch hinter eurem Rücken erzählt, dann ist es vielleicht generell an der Zeit, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

In diesem Sinne: TRANQUILLA, MISS PARANOID! Alles wird (hoffentlich) gut.



Previous post

Splitting für alle! Verfassungsgericht stärkt Homorechte

Next post

Lesbian chics auf dem Pride

2 Comments

  1. 15. Oktober 2011 at 15:42

    besten dank!

  2. Jupitra
    15. Oktober 2011 at 15:34

    vortrefflicher artikel. :)

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.