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Essstörung

Essen ist mehr als lebensnotwendige Nahrungsaufnahme. Wenn die Gefühle aus dem Gleichgewicht geraten, kann Essen zum Regulator werden und dies kann zu einer Essstörung führen. Essstörungen sind nicht einfach schlechte Angewohnheiten, sondern ernst zu nehmende Erkrankungen mit belastenden Auswirkungen. Essstörungen sind heilbar. Der Heilungsprozess kann sehr lang und anstrengend sein. Es ist wichtig, dass über Essstörungen gesprochen wird.

Was ist eine Essstörung?

Menschen mit einer Essstörung kennen oft kein normales Sättigungsgefühl mehr und auch kein Hungergefühl. Sie stellen eigene Essregeln auf und orientieren sich vorwiegend an Kalorienangaben. Sie kontrollieren ihr Essverhalten streng. Manchmal verlieren sie die Kontrolle. Dieser Kontrollverlust belastet Betroffene stark, er bedeutet immer wieder eine Niederlage gegenüber sich selbst, den eigenen Hoffnungen und auch dem eigenen Ehrgeiz.

Anorexie und Bulimie gelten als Frauenkrankheit. Doch zunehmend leiden auch Männer an Essstörungen. Über die Hälfte aller schwulen, lesbischen und trans Jugendlichen weisen Essstörungen auf: Dies die erschreckende Erkenntnis einer Studie aus den USA. Damit liegt das Risiko bei LGBT-Teenagern unter einer Essstörung zu leiden um das 11-fache höher als bei gleichaltrigen Heterosexuellen. (Quelle: Max Krieg QUER-QUEER PESSIOPTI auf QueerUp)

Durch die ständige Beschäftigung mit Ess- und Gewichtsthemen werden Ausbildung und Beruf, Freizeit und soziale Kontakte zunehmend vernachlässigt. Selbstabwertung, Scham über die Essstörung und Ablehnung des eignen Körpers machen es schwer, Beziehungen einzugehen und aufrecht zu erhalten. Viele Betroffene fühlen sich sehr allein, bei einigen wird die Essstörung zur einzigen Begleiterin in der Einsamkeit. Häufig sind vor allem die drei folgenden Essstörungen:

  • Magersucht (Anorexia nervosa)
    Magersüchtige sind zäh, häufig sehr kontrolliert, perfektionistisch und streng mit sich. Diese Eigenschaften befähigen sie, regelrechte „Hungerkünstler“ zu werden. Sie essen immer weniger und wenn, dann etwas, was kaum oder keine Kalorien hat. Zum Kalorienverbrennen wird häufig übermässig Sport getrieben und Bewegung in den Alltag eingebaut. Magersüchtige haben eine verschobene Körperwahrnehmung (so genannte Körperschemastörung). Sie nehmen sich als zu dick wahr. Das ganze Sein dreht sich nur noch um die Kontrolle des Körpers (Bodycheck) und der Zahl auf der Waage.

  • Bulimie (Ess-/Brechsucht)
    Bulimiker/innen wirken meist normalgewichtig. Ihr Leiden sieht man ihnen in der Regel nicht an. Dementsprechend hoch ist die Anzahl Betroffener, die ihre Sucht lange Zeit oder sogar ein Leben lang verheimlichen. Betroffene verschlingen während ihrer Heisshungerattacken grosse Mengen kalorienreicher Nahrungsmittel. Um das Gegessene wieder loszuwerden, erbrechen sie. Die Ess- und Brechrituale rauben sehr viel Zeit und kosten Energie, nicht nur auf körperlicher Ebene, sondern auch fürs Verheimlichen vor anderen. Nicht zuletzt kann Bulimie (wie auch Binge Eating, s.u.) immense Kosten für die tägliche Nahrungsbeschaffung verursachen. Bulimiker/innen sind eher angepasst, stellen ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zurück. Eigentlich essen sie gerne, doch da Belastungen über das Essen kompensiert werden, gerät das Essverhalten irgendwann aus dem Lot.

  • Binge-Eating (Ess-Attacken)
    Beim Binge Eating kommt es zu wiederholten Episoden unkontrollierten Essens. Darunter ist nicht nur das Verschlingen von grossen Nahrungsmengen zu verstehen, sondern es gibt auch Phasen, in denen Betroffene mehr oder weniger stark Diät halten. Im Gegensatz zur Bulimie findet in der Regel nach dem Essen keine Massnahme zur Verhinderung der Gewichtszunahme (z.B. Erbrechen, Sport treiben) statt. Somit sind Binge Eater meist übergewichtig, haben eine sogenannte Adipositas (Fettleibigkeit).

Mein Körper

Folgeschäden bei allen Essstörungen

Essstörungen beeinflussen nicht nur die emotionale und geistige Leistungsfähigkeit stark, auch der Körper leidet darunter. Meistens kommt es zu Stoffwechsel- und Hormonstörungen, teilweise treten irreversible Schädigungen einzelner Organe, Organsysteme und des Skeletts auf. Häufige Begleiterkrankungen sind Zwänge, soziale Phobien, aber auch Suchterkrankungen und Depressionen. Die Anorexie ist eine der schwersten Erkrankungen bei jungen Menschen. Ein Grossteil der Betroffenen wird wieder gesund, es gibt aber auch chronische Verläufe und manche Erkrankte sterben daran.

Was hilft bei Essstörungen?

Je schneller eine Behandlung einsetzt, desto kleiner ist die Gefahr eines chronischen Verlaufs. Dies ist aber leichter gesagt als getan. Vielen Betroffenen fehlt die Krankheitswahrnehmung, insbesondere bei der Magersucht, bedingt durch die gestörte Körperwahrnehmung und das Gefühl, die absolute Kontrolle über den eigenen Körper zu haben. Bei der Bulimie ist die Scham oft so gross, dass die Krankheit lange verheimlicht wird. Bei Essstörungen helfen Medikamente nur bedingt. Wesentlicher ist ein verständnisvolles Umfeld und vor allem eine spezialisierte Psychotherapie, kombiniert mit Bewegungstherapie, Körperwahrnehmung und  Ernährungsberatung.

Quelle: Beobachter Ratgeber „Ganz normal anders“ von Thomas Ihde-Scholl

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