Berlin Burlesque Festival: Reise in eine andere Zeit
Ein Abend voller Eleganz, Erotik, Humor – und alles auf höchstem Varieté-Niveau.
Dies hat das erste Burlesque-Festival in Berlin versprochen, und Ladys, ich kann euch sagen:
Es wurde nicht zu viel versprochen! Im Glanz der Goldenen Zwanziger erstrahlten der Berliner
Heimathafen, das Wintergarten Varieté und das Alberts und empfingen Artisten, Performer,
Künstler, Liebhaber und Liebhaberinnen des Burlesque aus aller Welt, um allen vier
unvergessliche Tage zu bereiten. Auch ich durfte in den Genuss dieses faszinierenden
Spektakels gelangen und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Der Ort der Diven
In Berlin reihen sich die Besucher vor den Türen des Wintergartens. Der Samstag Abend
ist ausgebucht, und genau danach sieht es aus. Die Gäste tragen edle Kostüme, schicke
Roben, ausgefallene Kreationen und elegante Kleider. Viele im Stil der Zwanziger,
einige Vintage oder Pin-up. Marken wie Stop Staring!, Redcat 7 oder Pony Maedchen
finden hier ihre Träger. Es gibt sogar ausgefallene Kleider und Korsetts von
Bibian Blue zu bewundern.
Die Frisur spielt zum perfekten Outfit eine große Rolle. Frau konnte sich gar nicht
sattsehen an den verschiedenen Arten von Hochsteckfrisuren: die Victory Rolls aus
den Vierzigern, große Retro-Wellen, die ihre Hochphase in den Vierzigern und Fünfzigern
hatten, der Snood-Style. Facettenreichtum, wohin das Auge reicht.
Mein persönlicher Favourite ist die Wasserwelle aus den Zwanzigerjahren. Stilvoll und
unglaublich elegant, egal mit welcher Haarlänge frau sie trägt. Da kann es passieren,
dass ein teures Outfit schon mal in den Hintergrund tritt.
Um den perfekten Burlesque-Look zu unterstreichen, wird der Kopf von einem Hut,
einem Haarkamm oder einer bunten Feder geziert. Auch das Make-up ist auffällig.
Rote, verführerische Lippen, blasser Teint, viel Puder und auf jeden Fall lange,
falsche Wimpern. Oft wird auch ein Muttermal unterhalb des Auges oder oberhalb der
Lippe fein nachgezeichnet und mit einem Lächeln kokettiert. Zurückhaltung ist auf
so einer Veranstaltung nicht das Thema. Hier möchte man als bunter Vogel auffallen und
als Diva erkannt werden.
Der Ort der Inszenierung
Der Vorhang geht auf und ich blicke auf Berlins wahrscheinlich schönste Varieté-Bühne.
Der Hauch eines Events im legendären Moulin Rouge liegt im Saal, der mit dunklem Samt,
Brokat und Holz ausgekleidet ist. Vitrinen und Spiegel glänzen um die Wette. Trotz des
ganzen Prunks fällt ein Element besonders auf. Die Decke wird vom Sternenhimmel des
Wintergartens verzaubert und schafft eine magische Atmosphäre, die dem Besuch in
diesem Haus das i-Tüpfelchen aufsetzt.
Es wird um Ruhe gebeten, die Show beginnt.
Opium für die Sinne
Anzügliches Pfeifen dringt aus dem Publikum, überraschte Aufschreie, daraufhin Applaus.
Woran das liegt? Natürlich an der aufreizenden Performance von Marlene von Steenvag!
Die Luft knistert förmlich und alle Blicke liegen gebannt auf Germany’s most
glamorous Burlesque Artist.
Ihre Inszenierung heisst Opium & Bondage. Und genau das ist sie auch. Berauschend,
fesselnd und verboten heiß. Gerade hat die Diva sich ihres eleganten Morgenmantels
entledigt und heizt dem Zuschauer mit ihren Kurven ein. Sie hat weder die Maße 90-60-90
noch ist sie 1,80 Meter groß – das heutige Standart-Schönheitsideal hat sie nicht nötig.
Ihre Augen leuchten, ihre Blicke sind im ständigen Kontakt mit dem Publikum, während
sie sich in einem glitzernden, durchsichtigen Kleid über die Bühne bewegt, dabei ein
Glas schweren Alkohols genießt. Auch die Opiumpfeife soll uns sinnbildlich in eine
Welt voller Laster und Lüste nehmen. Die gesamte Aufmerksamkeit des Saales liegt auf
der Burlesque-Künstlerin. Sie lässt ihr Hauch-von-Nichts über die Hüften gleiten,
steht fast nackt auf der Bühne.
Auch wenn sie entkleidet vor uns auf der Bühne steht, ist eine Burlesque Tänzerin
kein Objekt. Sie beherrscht die Show, den Zuschauer. Sie bestimmt, wie weit sie
gehen will und wie viel wir sehen dürfen. Und das ist niemals alles. Beim
Burlesque geht es nicht vorrangig ums Blankziehen, es geht um das Spiel mit dem
Körper, um den Spaß an der Inszenierung. Das Entkleiden ist nur Mittel zum Zweck,
und das halbminütige Abstreifen eines Handschuhs kann spannender als ein
neunzigminütiger Krimi sein.
Plötzlich zieht Marlene von Steenvag ein Seil hervor, und jedem wird klar, wieso
die Show Opium & Bondage heißt. Gekonnt schnürt sie das Seil um ihren Oberkörper
und erzeugt dadurch ein ansehnliches Zierbondage. Die Menge genießt. Und um der
Szene die Krone aufzusetzen, nimmt sie zwei Kerzen und gießt sie mit einem provokanten
Lächeln über ihrem Werk aus. Jedem gefällt, was er sieht, und der Applaus bricht los.
Marlene kommentiert dies mit einem Lächeln, freut sich, die Menge begeistert zu haben,
bläst die Kerzen aus und schreitet von der Bühne. Ein gelungener Auftritt von ihr, die
sowohl Künstlerin als auch eine der Veranstalterinnen des ersten internationalen
Burlesque-Festivals in Berlin ist.
Nicht nur Marlene von Steenvag bezaubert das Publikum an diesem Abend. Die bei den
World Burlesque Games 2012 in London ausgezeichnete Eliza Delite sorgt für eine Art
religiöses Erlebnis voller Magie. Und Lada Redstar, für das Best Debut ausgezeichnet,
lässt stilvoll und überaus ladylike die Hüllen fallen. Jeder Auftritt ist eine Show
für sich und zeigt beispielhaft, wie facettenreich der Burlesque-Tanz sein kann.
Große Federfächer werden geschwungen, Peitschen geknallt, Feuerreifen durchstiegen.
Ein Meer aus Glitzer und Pailletten.
Die Veranstalterinnen Marlene von Steenvag und Else Edelstahl haben es geschafft,
eine große Auswahl an internationalen Stars aus der Burlesque-Szene zu vereinen und
für ein Erlebnis der Extraklasse in Berlin zu sorgen. In Kombination mit dem
Wintergarten wurden die Gäste in eine andere Welt geführt und für einige Nächte der
Realität des 21. Jahrhunderts entzogen.
Erfrischende Unterhaltung in einer angenehmen Atmosphäre sind rar in der heutigen
Zeit des Partykults. Für mich war es die erste Burlesque-Veranstaltung in Berlin,
wo die Themen Charleston, Burlesque und Goldene Zwanziger derzeit die Partyszene
erobern, wie in kaum einer anderen Stadt. Wer die Geschichte Berlins kennt,
weiß, dass viele dieser Trends hier einst begannen – und ich weiß, dass sie hier
für mich noch lange nicht enden.
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