An die Frauen
Am vergangenen Dienstag, 08. März, jährte sich der Frauentag zum 100. Mal. Höchste Zeit also, auf die bisherigen Errungenschaften der Frauen in der Schweiz zurückzublicken. Und Bilanz zu ziehen. Und in die Zukunft zu blicken. Auf das, was wir uns gemeinsam noch erkämpfen müssen.
Der beschwerliche Weg zum Frauenstimmrecht
Eigentlich ist die Schweiz lediglich seit rund 40 Jahren ein wirklich demokratischer Staat. Denn erst seit diesem Datum verfügen auch Frauen über das Recht, wählen zu dürfen, und sich auf diese Weise aktiv am Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. Die Schweiz war eines der letzten Länder in Europa, das den Frauen volle Bürgerrechte einräumte. Bis sie ihr Ziel erreicht hatten, vergingen viele Jahre, mussten sie viele Rückschläge einstecken – und gaben doch nie auf.
Wir möchten euch an dieser Stelle nicht mit Jahreszahlen langweilen und euch auch keine Nachhilfestunden in Geschichte aufzwingen. Aber so viel soll gesagt sein: Die ersten Schritte in Richtung Frauenstimmrecht wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts unternommen, als sich mutige Vorreiterinnen zusammenschlossen und ihre politischen wie auch zivilen Rechte erstmals einforderten. Es folgten viele Motionen, Petitionen und Resolutionen. Und schlussendlich auch radikalere und provokativere Massnahmen wie beispielsweise der Marsch auf Bern am 01. März 1969, an dem 5000 Frauen teilnahmen. Es brauchte Frauen wie Emile Lieberherr, die an vorderster Front (ich verwende diesen Begriff an dieser Stelle absichtlich) nicht ruhten, bis auf Bundesebene endlich durchgesetzt wurde, was für uns heute selbstverständlich ist:
«Die hier versammelten Schweizerinnen fordern das volle Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer und kantonaler Ebene und in den Gemeinden. Die Konvention des Europarates zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten darf erst unterzeichnet werden, wenn bezüglich des Stimm- und Wahlrechts kein Vorbehalt mehr nötig ist. Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage.
Wir fordern deshalb alle gutgesinnten Politiker und Stimmbürger auf, das Frauenstimm- und Wahlrecht im Bund, in den Kantonen und in allen Gemeinden so rasch als möglich zu verwirklichen.»
Parallelen zu heute
Analysiert Frau die Gründe, warum sich die Schweiz und ihre männlichen Bürger so lange und auch so erfolgreich gegen das Frauenstimmrecht wehren konnten, kann darüber nur müde den Kopf schütteln. Andererseits lassen sich aber auch Parallelen zu heute festmachen: Befürchtet wurden unter Anderem, dass die Frauen mit der Politik überfordert wären. Oder – anders ausgedrückt – dass sie ihre eigentlichen Aufgaben (Mutter und Ehefrau sein) darüber vernachlässigen würden. Weiter waren die Politiker der Ansicht, dass das Begehren der Schweizerinnen aus dem Ausland importiert, und gar nicht auf die Schweiz übertragbar wäre. Kurz: Es herrschte die Angst vor Neuem, vor Fremdem, vor Veränderung. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden übrigens bis zum Jahre 1989, und in Appenzell Inerrhoden gar bis 1991.
Wenn Frau will, steht alles still!
Seit 1981 ist der Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung verankert. Seither gilt das Prinzip des identischen Lohns für gleichwertige Arbeit für Mann und Frau. Dass die Realität anders aussieht, zeigte sich aber spätestens am 14. Juni 1991. An diesem Tag setzten sich die Frauen nämlich – wieder – zur Wehr: Ursprünglich als kleine Protestaktion der Uhrenarbeiterinnen im Vallée de Joux, die auf die herrschenden Lohndiskriminierungen aufmerksam machen wollten geplant, nahmen schlussendlich über eine halbe Million Frauen schweizweit an öffentlichen Aktionen und Kundgebungen teil. Christiane Brunner war dabei eine der federführenden Personen, indem sie die Anliegen der Frauen beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund platzierte und so den Weg für den Streik ebnete.
Und heute?
Neben dem Frauenstimmrecht und dem Gleichstellungsartikel besteht seit 15 Jahren auch das Gleichstellungsgesetz. Jegliche Diskriminierung von Frauen ist somit verboten. Heisst das, wir sind den Männern heute gleichgestellt? Die Antwort auf diese Frage ist – leider und gemäss der neusten Studie der Universität Freiburg – ein klares NEIN. In der Privatwirtschaft erhalten Frauen für die Ausführung der gleichen Tätigkeit zu gleichen Stellenprozent weiterhin ein geringeres Gehalt als ihre männlichen Pendants. Nämlich gemäss der neusten Studie im Schnitt 14%. Je höher die Frauen die Karriereleiter emporsteigen, desto grösser werden auch die Unterschiede: Im mittleren Management sind es 22%, im oberen Kader gar 31%. In Genossenschaften, Stiftungen oder Verbänden sind die Diskrepanzen deutlich tiefer. Zudem sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor untervertreten – wenn wir den Bundesrat einmal ausser Acht lassen.
ACHTUNG. FERTIG. FRAUEN LOS!
Kaum ein Gesetz wird in der Schweiz so krass missachtet, wie das Gleichstellungsgesetz. Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Und zwar gemeinsam. Deshalb fordern wir von lesbian chic, die wir uns aufgrund mangelnder politischer Aktivitäten selbst auch an der Nase nehmen müssen: Auf die Strasse mit uns! Es ist wieder an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, und unsere Rechte einzufordern! Das sind wir unseren Vorreiterinnen, uns, und den nächsten Generationen schuldig! Die nächsten wichtigen Termine sind:
Zürich, 12. März 2011, 13.30 Uhr, Hechtplatz
Schweizweit, 14. Juni 2011, 14.06 Uhr
Wir sehen uns dort!
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