Ab an die Urne, ihr Schweizerinnen!
Am Sonntag, den 18. Oktober 2015, wird das Nationale Parlament der Schweiz neu gewählt. Das heißt, wir wählen, wer bis ins Jahr 2019 unseren Kanton (Ständerat) und unser Volk (Nationalrat) vertritt und wer unserer Landesregierung (Bundesrat) den Großteil der Aufträge erteilt.
Wir helfen euch in diesem Blog, im Dschungel der Kandidaten und Parteien mit ihren Versprechen und Visionen den Durchblick zu gewinnen, damit ihr eure Wahlstimmen den Kandidierenden geben könnt, die sich in den kommenden Jahren für eure Anliegen einsetzen.
Wie funktioniert so eine nationale Wahl? Wen kann man wählen? Und warum?
Bei den Nationalratswahlen dürfen alle mündigen Schweizerinnen und Schweizer ab 18 Jahren wählen und sich selbst zur Wahl stellen. Die Ständeratswahlen sind nicht auf Bundesebene geregelt. Für sie gelten kantonale Vorschriften. Details zur Ständeratswahl pro Kanton gibt’s auf der offiziellen Website der Wahlen 2015.
Das Prozedere für beide Wahlen ist eigentlich ganz einfach. Wer einen Sitz im Nationalrat oder Ständerat ergattern will, muss von seiner Partei auf die Wahlvorschlagsliste gesetzt werden. Wenn die Partei und deren Liste alle Anforderungen des Staatssekretariats erfüllen, wird die Wahlvorschlagsliste genehmigt. Ab diesem Zeitpunkt stehen die Kandidaten offiziell zur Wahl. Im anschließenden Wahlkampf werben sowohl die Parteien als auch die Kandidierenden auf allen erdenklichen Kanälen um Wählerstimmen.
Warum werben nicht nur die Kandidaten, sondern auch die Parteien für sich? Weil die Sitze im Parlament beschränkt sind. Jede Partei erhält ihre Anzahl Sitze im Verhältnis zu den Partei- und Kandidatenstimmen, die sie gewonnen haben. Natürlich möchte jede Partei möglichst viele Sitze für sich gewinnen. Um das zu erreichen, versuchen die Parteien die Wähler davon zu überzeugen, nur Kandidaten aus ihrer Partei zu wählen.
Welche Partei steht für was?
Nebst den ungefähr 15 politisch gewichtigen Parteien, gibt es zahlreiche Klein- und Kleinstparteien, die nicht im nationalen Parlament vertreten sind. Die Schweizer Gay- und Transgenderorganisationen haben die Parteien auf ihre Gay-Freundlichkeit getestet und eine Auswertung erstellt, die ihr euch anschauen solltet. Auswertung Gay-Friendlyness der Schweizer Parteien
Bürgerlich Demokratische Partei BDP
Die BDP ist eine Mitte-Rechts-Partei und schreibt über sich selbst, sie sei eine innovative und moderne bürgerlich-demokratische Partei, die den gesellschaftlichen Entwicklungen und den ökologischen Herausforderungen Rechnung trage, ohne dabei ihre konservativen Grundwerte über Bord zu werfen. Gemäß den Schweizer Gay- und Transorganisationen ist die BDP, trotz ihrer konservativen Grundwerte, gayfriendly.
Christlichdemokratische Volkspartei CVP
Die CVP ist eine Mitte-Partei. In machen Themen etwas mehr links und in anderen etwas mehr rechts. Im Zentrum stehen jedoch immer die christlichen Werte. Die CVP schreibt über sich selbst, sie stelle den Menschen und die Gesellschaft ins Zentrum. Sie strebe eine größtmögliche Eigenverantwortung und eine solidarische Gesellschaft in Wohlstand und Freiheit an. Die CVP ist größtenteils nicht gayfriendly. Aus der Feder der CVP stammt beispielsweise die Familieninitiative, die, in einem Nebenpunkt, die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau in der Verfassung verankern will.
Die Grüne Partei ist eine Links-Partei. Die Grundidee der grünen Politik lautet „ökologisch konsequent, wirtschaftlich nachhaltig, sozial engagiert, global solidarisch. Dabei setzen Sie sich bei ihren politischen Vorstößen meist für Nachhaltigkeit ein, sei dies bei Themen rund um die Natur, Energieverbrauch oder die Wirtschaft. Die Grüne Partei ist gayfriendly.
Eidgenössisch-Demokratische Union EDU
Die EDU ist eine konservativ-christliche Rechts-Partei. Das Zentrum ihres Schaffens ist der Glaube an Gott und die Bibel als das wahre Wort Gottes. Die EDU ist in Familienfragen ausserordentlich konservativ. Gayfriendly? Mit Nichten! Wir alle erinnern uns noch an das Interview eines EDU-Exponenten auf 20min.ch, in dem er verlauten ließ, dass Gott das Zusammenleben von homosexuellen Paaren missbillige und die Partnerschaften deshalb zum Scheitern verurteilt seien.
Evangelische Volkspartei der Schweiz EVP
Die EVP ist eine Mitte-Partei, die sich, wie die CVP und EDU, auf christliche Werte beruft. Die EVP bezeichnet sich als Partei von Menschen für Menschen. Sie setzt sich für Schwache und Benachteiligte ein, bejaht die Eigenverantwortung und soziale Marktwirtschaft und stellt sich schützend vor die Familie und das menschliche Leben. Die EVP setzt sich für das klassische Familienmodell ein und ist deshalb in vielen Punkten ebenfalls nicht gayfriendly.
Die FDP ist eine Mitte-Partei. Im Zentrum ihrer Politik steht die Freiheit des Menschen und damit auch die Freiheit der Wirtschaft. Die FDP beschreibt ihre Werte folgendermaßen (Auszug): Unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt und den künftigen Generationen verpflichtet uns, keine Entscheide zu fällen, welche die Freiheiten der künftigen Generationen einschränken. Unser Respekt vor der kulturellen Vielfalt zeigt, dass wir für einen Gesellschaft einstehen, die offen ist, damit jede und jeder seinen eigenen Beitrag einbringen kann. Die Demokratie, ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern eine direkte Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten. Die soziale Marktwirtschaft schliesslich garantiert den Wohlstand und die soziale Gerechtigkeit, welche die Würde der Schwachen schützt. Die FDP ist in LGBT-Themen eher konservativ und deshalb in vielen Punkten nicht gayfriendly.
Die SP ist eine linke und soziale Partei. Ursprünglich war die SP die „Partei der Arbeiter“. Mit dem aktuellen Programm können sich die Arbeiter jedoch kaum mehr identifizieren (die sind jetzt interessanterweise mehrheitlich bei der SVP). Das aktuell gültige Parteiprogramm trägt den Titel „für eine sozial-ökologische Wirtschaftsdemokratie“ und spricht sich für eine freiere, solidarischere und gerechtere Gesellschaft aus. Die SP fordert gleiche Chancen für alle, Beschäftigungssicherheut und den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Die SP ist gayfriendly.
Die Grünliberale Partei ist eine Mitte-Links-Partei und kann als Mix zwischen Grüner Partei und FDP, mit einem Spritzer SP, bezeichnet werden. Die GLP setzt sich für den verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt ein, für Energieeffizienz und erneuerbare Energien, für eine marktwirtschaftliche, innovative und nachhaltige Wirtschaft, für einen effizienten Staat, für Investitionen in die Bildung und Forschung, für Eigeninitiative und Selbstverantwortung sowie Chancengleichheit zwischen allen Menschen. Die GLP ist gayfriendly.
Die Piratenpartei ist im linken Flügel der Parteilandschaft einzuordnen. Ihre Kernthemen finden sich in der digitalen Welt und im Staatswesen. Sie setzen sich für den Datenschutz, die Privatsphäre und Nachhaltigkeit im digitalen Bereich ein. Sie sprechen sich klar gegen die Zensur im Internet aus. Sie fordern Transparenz im Staatswesen, Abbau von Infrastrukturmonopolen und Patenten sowie die Herabsetzung des Urheberrechts. Über die LGBT-Verträglichkeit der Piratenpartei ist nichts bekannt. Als linke Partei, die sich für humanistische Werte einsetzt, sollte die Piratenpartei allerdings LGBT-freundlich politisieren.
Die SD ist eine rechte Partei. Sie setzt sich für eine starke, ursprüngliche und unabhängige Schweiz ein. Sie will Zuwanderung reduzieren und Parallelgesellschaften verhindern. Immer wieder werden Parteimitglieder an Kundgebungen von Nazi-Sympathisanten gesichtet. Gayfriendly? Nein, ganz im Gegenteil.
Schweizerische Volkspartei SVP
Die SVP ist eine rechte Volkspartei. Zur Zeit wohl die stärkste Partei der Schweiz und massgeblich am drohenden Rechtsrutsch beteiligt. Ihre Kernthemen sind Asyl- und Ausländerpolitik. Die SVP will die traditionelle Schweiz von fremden Einflüssen schützen und die inländische Wirtschaft stärken. Ihre Politik darf man als auslandfeindlich und konservativ bezeichnen, ist jedoch bei weitem nicht so radikal wie die SD! Die SVP setzt sich ebenfalls für das traditionelle Familienbild ein und ist daher (trotz Gay-SVP und schwuler Nationalräte) nicht gayfriedly.
Und wie weiß ich nun, welche Kandidaten und Parteien ich unterstützen soll?
Die Lesbenorganisation Schweiz (LOS), Pink Cross (Schweizerische Schwulenorganisation) und Transgender Network Switzerland (TGNS) haben sich der Mammut-Aufgabe gestellt und über 500 Nationalratskandidaten 20 Fragen zu LGBT-Themen gestellt. Auf der eigens für die Wahlen erstellten Plattform www.myvoice.lgbt kannst du die Antworten der Kandidaten aus deinem Kanton einsehen. Einfach nach Kanton Sortieren et voilà! Auf der selben Website kannst du auch das Wahlverhalten der bisherigen Nationalräte und Fraktionen analysieren. Ein Besuch auf der Page lohnt sich allemal!
Ebenfalls empfehlenswert ist Smartvote. Auf der Website kannst du einen Fragebogen mit 30 oder 75 Fragen zu verschiedenen Themen beantworten und erhältst anschliessend eine Liste an Kandidaten, welche ähnliche Antworten gegeben haben, wie du. Ich persönlich mache bei allen Wahlen den „Smartvote-Test“ und wähle auch die Kandidaten und Parteien, die auf meiner Auswertung in den ersten Positionen erschienen sind. Selbstverständlich kannst du auch das bunte Flyer-Sammelsurium aus deinem Wahlcouvert und die Websites der Parteien und Kandidaten studieren. Dort findest du die Ziele und politischen Schwerpunkte in ausführlicher version.
Wie wähle ich nun?
Zwischen 1. Oktober und heute hast du ein dickes, bräunliches Couvert mit dem Wahlmaterial erhalten. Darin sind alle vorgedruckte Partei-Listen und eine leere Liste für den Nationalrat sowie eine leere Liste für den Ständerat enthalten. Du hast ebenfalls einen Stimmausweis, das Stimmcouvert und die Wahlanleitung erhalten. Sämtliche Unterlagen, die im Wahlcouvert stecken, kannst du auch Online einsehen.
Wenn du dich entscheidest, eine vorgedruckte Parteiliste zu verwenden (gibt es nur für die Nationalratswahl), kannst du Kandidierende, die du nicht unterstützen willst, streichen und dafür Kandidierende von anderen Listen aufführen oder einzelne Kandidaten zwei Mal auf die Liste setzen. Jeder Kandidat, der auf deiner Liste steht, erhält eine Wählerstimme (oder zwei, wenn du ihn doppelt aufführst). Die Partei, der der Kandidat angehört, erhält ebenfalls eine (oder zwei) Stimme(n).
Wenn du dich entscheidest, selbst eine Liste zusammenzustellen, solltest du zuerst die Partei oben in die Liste schreiben, die du unterstützen willst. Nimm die Partei, die deine Interessen gemäss ihrem Portrait am besten vertritt. Anschliessend führst du alle Kandidierenden auf, denen du eine Stimme geben willst. Wenn du Zeilen leer lässt, erhält die Partei, die du oben eingesetzt hast, diese Stimmen (und kann sich mehr Sitze im Nationalrat sichern). Willst du keine Partei unterstützen, kannst du die Listennummer oben auch weglassen. Dann sind die leeren Zeilen sogenannte „verlorene Stimmen“. Niemand erhält sie.
Am Schluss steckst du die Listen (1x für Nationalrat und 1x für Ständerat) in das Stimmcouvert. Dieses steckst zu, zusammen mit dem unterzeichneten Stimmausweis, kopfüber zurück ins Couvert, mit dem die Unterlagen an dich gesandt wurden. Das Couvert frankierst du am besten mit A-Post und schickst es bis am Mittwoch, 14. Oktober 2015 an deine Gemeinde. Du kannst das Stimmcouvert aber auch am Sonntag, 18. Oktober 2015 im Stimmlokal deiner Gemeinde persönlich abgeben. Nun hast du gewählt. Du trägst dazu bei, dass Frauen und Männer in unserem Parlament sitzen, die deine Anliegen vertreten in der Politik vertreten. Du hast dazu beigetragen, unsere Schweiz ein Stück nach deinen Vorstellungen mitzugestalten. Bravo!
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